Seit 1988 ist Barbara im Gießener Kinderladen als Kinderbetreuerin beschäftigt. Diese Tagesstätte für Kinder im Kindergartenalter wurde in Privatinitiative 1968 von antiautoritär eingestellten Studenten-Eltern gegründet. Der Name ‘Kinderladen’ kommt von Berlin. Die dortigen Initiativen konnten damals günstig ehemalige Tante-Emma-Läden anmieten, da durch die in den 60er Jahren entstandenen Supermärkte diese kleinen Läden um die Ecke unrentabel wurden und somit leer standen. Auf diese Weise entstand die ‘Kinderladenbewegung’ ab 1968 von Berlin ausgehend.
Viele Leute, die sich mit der Geschichte des Themas ‘antiautoritäre Erziehung’ nicht auskennen, verstehen spontan unter ‘antiautoritär’ eine verwöhnende bzw. laissez-faire-Erziehung ohne sinnvolle Grenzen und Regeln, was schon der wichtigste geistige Mentor der antiautoritären Erziehung, der alte Neill in seinem Summerhill-Buch kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen mußte. (Das Buch von 1960 wurde 1969 als Rowohlt-Bestseller in Deutschland verlegt. Es ist nach wie vor empfehlenswert). Einen sehr guten Einblick in die Neill’schen Vorstellungen mit Zitaten gibt Rahel Häsler. So erkennt sie ganz klar:
“Zügellosigkeit im Sinne Neills hat nichts mit Freiheit zu tun, sie ist viel mehr das genaue Gegenteil, will eine Form von Freiheit, die die Freiheit anderer beeinträchtigt. Zügellosigkeit hat sowohl etwas gemein mit übertriebener, ängstlicher Fürsorge als auch mit Vernachlässigung des Kindes. Sie ist auch nicht völlig getrennt von der autoritären Erziehung zu sehen. Beiden gemeinsam ist der Mangel an (richtiger) Liebe. Man kann Neill auch so verstehen, dass in beidem Zwang steckt, sofern es sich bei der Zügellosigkeit um Verwöhnung handelt. Die Strenge erzwingt die Unterwerfung mit Gewalt, die Verwöhnung erkauft sie; ob sie das Kind mit Materiellen Dingen überschüttet oder ihm durch Nachgiebigkeit alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumt - immer wird es in Abhängigkeit gehalten und seiner Möglichkeiten zur freien Entscheidung beraubt.”
Zum Thema Verwöhnung (bzw. Laissez-faire-Erziehung) gibt es das folgende sehr empfehlenswerte Buch:
Frick, Jörg: Die Droge Verwöhnung. Beispiele, Folgen, Alternativen. Verlag Hans Huber, Bern, 3. überarbeitete und ergänzte Auflage 2005
Was demnach ‘antiautoritäre Erziehung’ bedeutet, wird hier abgehandelt
Es liegt in der Natur der Sache, daß optimal erzogene Kinder die echte, wahrhaftige Autorität sowie sinnvolle Grenzen und Regeln nicht nur einfach zur Kenntnis nehmen, sondern auch freudig und selbstbewußt achten.
Mit ‘autoritär’ ist die unechte, auf Lebensfeindlichkeit und Lieblosigkeit beruhende Autorität gemeint, der es primär um Verwaltung und Manipulation geht; in manchen Fällen auch um extreme Bindung (und das heißt, als vielleicht ungewolltes Ergebnis, in der Autonomiephase um Unautonomie oder in einer späteren Entwicklungsphase um weitgehende Initiativlosigkeit) der Kinder geht.
Desweiteren ist mit ‘autoritär’, vom Anfang der Kinderladenbewegung an bis heute, gemeint, ein sorgloser Umgang mit Kommunikationsstörungen innerhalb einer (familiären) Gruppe, mit der gängigen Praktik, psychogene Symptome der (eigenen) Kinder “entweder zu verleugnen oder als ‘Unart’ umzudeuten, um peinlicher Selbstkritik zu entgehen” (H.E. Richter, Die Gruppe, Reinbek 1972, S.119).
Zur Thematik neurotischer Kinderentwicklung waren während der Gründungszeit der Kinderläden in Deutschland (um 1968-1972) die beiden Klassiker von Horst-Eberhard Richter der Hit:
· Eltern, Kind und Neurose. Psychoanalyse der kindlichen Rolle. 1963, Neuauflage Rowohlt TB 1969
· Patient Familie. Entstehung, Struktur und Therapie von Konflikten in Ehe und Familie. 1970, Neuauflage Rowohlt TB 2001
Eine zentrale Rolle spielen auch die Ideen des Psychoanalytikers Erik H. Erikson in seiner Schrift: „Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit“. Der Vorbereitende Ausschuss der Konferenz „Kindheit und Jugend“ des Weißen Hauses hatte Erikson 1950 aufgefordert die Frage einer gesunden Entwicklung der Persönlichkeit zu erörtern (vgl. das Vorwort seiner Schrift).
In dieser Abhandlung ist ein Stufenmodell aufgeführt, dessen erste 4 Stadien für die Kindererziehung von besonderer Bedeutung sind. Diese lauten im Einzelnen:
- Ur-Vertrauen vs. Urmisstrauen (1. Lebensjahr)
- Autonomie vs. Scham und Zweifel (2. bis 3. Lebensjahr)
- Initiative vs. Schuldgefühl (4. bis 5. Lebensjahr)
- Werksinn vs. Minderwertigkeit (6. Lebensjahr bis Pubertät)
Als negative Ergänzung dazu kann dienen das Thema ‘Narzissmus’
Entsprechende Erläuterungen zu den einzelnen Phasen finden sich in der Wikipedia.
Die alle Lebensphasen (auch des Erwachsenenalters) umspannende Grundthematik des Ur-Vertrauens findet gerade auch im Kinderladen eine besondere Beachtung. Jedes einzelne Kind wird in seiner vertrauensvollen Zuwendung zur Welt gefördert und bestärkt, soweit dies nicht durch vorangehende Erziehungsfehler irreversibel eingeschränkt wurde. Ein Adoptiv-Kind beispielsweise, das in früher Kindheit misshandelt wurde, kann einen bleibenden Schaden des Urvertrauens so nachhaltig davongetragen haben, dass dieser sich auf das gesamte zukünftige Leben – insbesondere auf das Sozialverhalten – negativ auswirkt und auch im Kinderladen nur sehr eingeschränkt reversibel ist.
Vgl. zu dem Themenkomplex auch Alice Miller.
Oder des weiteren das Entwicklungs-förderliche Konzept ‘autoritative Erziehung’. Ein wichtiges positives Vorbild für eine humanistische Vorstellung von Kindererziehung ist fernerhin Janusz Korczak.
Ein Aufsatz mit dem Titel
Der Anfang der Kinderläden in Westdeutschland – 1967-68
findet sich hier
Auf den hier angefügten Unterseiten dieser Website ‘Organisation des Kinderladens’ und ‘Kinderladenbroschüre 1998’ gibt es detailliertere Informationen konkret zum Giessener Kinderladen und seiner Geschichte.
Seit einiger Zeit gibt es auch eine offizielle Website des Gießener Kinderladens:
http://kinderladen-giessen.de/
Hier kann man übrigens Barbara sehen, wie sie am 1. März 2013 ihr 25-jähriges Kinderladenjubiläum feiert:
30-jähriges Arbeitsjubiliäum
März 2018 - Barbara mit Kolleginnen Tanja (links) und Sina (rechts)
Foto von Sina als Selfie
Im Folgenden sind jetzt zunächst diverse Szenen aus dem Leben des Kinderladens Giessen in Fotos dargestellt:
Kinderladenfasching (2004)
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Fasching 2004: Betreuerin Tanja (“Tanne”) tanzt Flamenco - die Kinder sind fasziniert!
Gemeinsames Pizza-Essen am Abend der Kinderladen-Übernachtung (1998). Anschließend gibt es traditionsgemäß einen Kinderfilm von Janosch - abgespielt mit einem altmodischen surrenden Projektionsgerät der Kreisbildstelle.
von links nach rechts: Praktikantin Galina, Betreuerin Tanja, Praktikantin Sonja, Betreuerin Barbara zusammen mit einigen Kindern der Kinderladenfreizeit 2003
Kinderladenfreizeit 2003: “Nivea-Bild”
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Jedes Jahr vor den Schulferien gibt es ein Sommerfest des Kinderladens - zusammen mit Eltern, Kindern und Betreuern - bei einer Grillhütte im Freien. Den Kindern, die in die Schule kommen, werden Schultüten überreicht, die von den Betreuerinnen und Praktikanten liebevoll in Eigenarbeit speziell für jedes einzelne Kind angefertigt wurden. Auch die im Laufe der Jahre gesammelten Zeichnungen der Kinder werden den Kindern, die Abschied nehmen, in eigens angefertigten Mappen übergeben. Außerdem gibt es noch diverse Spiele für alle Beteiligten.
Schultütenszene 2003
Elias freut sich zusammen mit seiner Mutter (2003):
Ein originelles Spiel mit Klopapier. Der langjährige Kinderladenvater (und Exbetreuer) Klaus findet selber Spaß daran. Eingewickelt wird der Praktikant Lars (1994):
Im Dialog (2000)
Ein ‘Bauarbeiter’ im Kinderladen-Garten (1997)
Verträumtes Spielen mit Sand im Kinderladen-Garten (1997)
Die rasende Lastwagenfahrt im Kinderladen-Garten (1997)
Kinderkommunikation (1997)
Besuch im Glockenmuseum (1998)
Das Deutsche Glockenmuseum befindet sich in der Burg Greifenstein im Westerwald
Auch hier gibt es wieder ein paar Möglichkeiten zum gemeinsamen Spielen
Gemeinsame Experimente mit Glocken
Hier gehts zum Teil 2 der Fotoserie sowie zu Zeitungsartikeln und weiteren Themen und Ereignissen bzgl. Kinderladen
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